Francos langer Schatten: Diktatur und Demokratie in Spanien

Francos langer Schatten: Diktatur und Demokratie in Spanien

Südwestrundfunk SWR 2

"Lesenswert - Kritik"

"Hannes Bahrmann kennt sich in autoritären Regimen aus. Er hat die DDR erlebt und danach zusammen mit Christoph Links in den Bänden Chronik der Wende sowie Finale. Das letzte Jahr der DDR festgehalten. Seinen Namen als Sachbuchautor hat er mit der Trilogie über Cuba, Nicaragua und Venezuela bekräftigt, in der er mit den Mythen dieser gescheiterten Revolutionen aufgeräumt hat.


Der Spanien-Band ist eine logische Fortsetzung von Bahrmanns Auseinandersetzungen mit autokratischen Systemen. So führt er z.B. einige der Schwächen der spanischen Demokratie auf nie völlig beseitigte Strukturen der Diktatur zurück, denn Franco hatte sein Erbe „gut und fest verschnürt“ – wie er kurz vor seinem Tod 1975 in einer Fernsehansprache behauptet hatte. 


Das heißt: der franquistische Staatsapparat, einschließlich Armee und Sicherheitsorgane, blieb genauso erhalten wie die autoritäre Verfassung. Hinzu kam das Fehlen jeglicher demokratischer Tradition in Spanien, was es für die linke Opposition zunächst schwer machte, ihr Projekt zu definieren. „Die meisten von uns waren keine Demokraten, als Franco starb, sondern Antifranquisten.“ – zitiert der Autor den Schriftsteller Antonio Muñoz Molina.

   

Deshalb kam am Schluss auch kein gründlicher Regimewechsel heraus, sondern nur ein Pakt zwischen rechten und linken Kräften, eine sog. „paktierte Demokratie“, die für Bahrmann eher einem Waffenstillstand als einem Neubeginn glich. Daraus ging die Zwei-Parteien-Herrschaft hervor zwischen der von Franquisten gegründeten Volkspartei PP und der sozialdemokratischen PSOE. Sie haben sich bis heute an der Regierung abgewechselt und sind für zwei weitere Defizite der spanischen Demokratie verantwortlich: die Korruption und die mangelnde Aufarbeitung der Vergangenheit.


Das Krebsübel der Korruption – so weist Hannes Bahrmann ausführlich nach – entstand bereits während der Diktatur. Der größte Profiteur war der Generalisimo selbst, der sich für jede Gunst, jedes Privileg teuer beschenken ließ, u.a. mit exquisiten Immobilien. Das Gesamtvermögen des Franco-Clans belief sich bei seinem Tod auf nahezu 600 Millionen Euro, wovon die Erben noch heute zehren.


Zahllos waren die Bestechungsskandale während der Diktatur. Involviert in die Betrügereien des schlimmsten von ihnen, dem Fall der Textilmaschinenfabrik MATESA, waren stets Vertraute von Franco, oft auch Mitglieder der rechtsradikalen Glaubensgemeinschaft des Opus Dei, in diesem Fall sogar die halbe Regierung.


Die Korruption wurde damals systemisch und setzte sich fast bruchlos in der Demokratie fort. Die Betrüger operierten jetzt innerhalb der Regierungsparteien und meist auch in deren Interesse: der rechten PP genauso wie der linken PSOE. Und selbst das Königshaus war involviert. Der inzwischen abgedankte Juan Carlos profitierte – ähnlich wie Franco – von jedem Geschäft, das er anbahnte. Sein Vermögen wird auf 2 Milliarden Euro geschätzt.


Genauso gravierend für das Selbstverständnis eines Staates und seiner Gesellschaft ist der Umgang mit der Vergangenheit – dem zweiten zentralen Thema dieses Buches. Hier liegt Francos langer Schatten noch bleischwer über Spanien, denn keiner der politischen Hauptakteure hatte ein Interesse an der Aufdeckung der Gräueltaten. Deshalb schlossen sie 1977 den sog. ‚Pakt des Vergessens‘ und erließen ein Amnestiegesetz, nach dem alle Straftaten ungesühnt bleiben sollten. „Der Amnestie folgte die Amnesie, ein Vierteljahrhundert des kollektiven Gedächtnisverlusts“ – schreibt Hannes Bahrmann.


Erst die jüngere Generation fing im letzten Jahrzehnt an, sich um das Schicksal ihrer Familienangehörigen zu kümmern, um die weit mehr als 100.000 während des Bürgerkriegs und vor allem während der Diktatur Verschwundenen und in Massengräbern Verscharrten. Ihre Aufklärung ist teuer und wird von staatlicher Seite kaum unterstützt. Sie wird erschwert durch Archive, die sich in einem beklagenswerten Zustand befinden. Die Gründung einer Wahrheitskommission blieb reine Ankündigung. Und die VOX, die neue Partei der franquistischen Rechten, mobilisiert ihre Reihen zum Kampf gegen jede Form von Aufklärung und glorifiziert Franco .


„Die Vergangenheit lebt wieder auf.“ – ist das erschreckende Fazit dieses längst überfälligen Buches."


 Hannes Bahrmann: Francos langer Schatten.
Diktatur und Demokratie in Spanien.
Christoph Links Verlag, Berlin 2020
288 S., 20 €


Leserstimmen


Amazon-Kunde


"Das Buch ist sehr informativ und kurzweilig geschrieben. Dargestellt wird die spanische Geschichte seit 1900. Interessant ist insbesondere die neuere Geschichte seit dem Ende des Bürgerkrieges, die Franco - Diktatur, der Urlaubsboom der 60 er Jahre, der Kampf gegen die ETA bis hin zu den Eskapaden des letzten Königs Juan Carlos. Bemerkenswert sind für mich auch die zahlreichen Verbindungen zwischen Deutschland und Spanien, von denen ich bis dahin noch nichts gewusst habe. Daher 5 Sterne"

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